Der Schadensersatz für das Opfer darf nicht von hypothetischen Veränderungen, die in der Zukunft nach dem Unfall stattfinden abhängen.

Das Opfer eines Verkehrsunfalls unterzog sich einer gerichtlichen Expertise. Der Gerichtsexperte konsolidierte den Fall am 01/10/2010 mit einer definitiven persönlichen Unfähigkeit in Höhe von 15%. Im Rahmen des Berichts dachte der Experte an, dass irgendwann eine Prothese in die Hüfte eingebaut werden könnte, woraufhin der Entscheid feststellte, dass der Schaden sich in der Zukunft gegebenenfalls noch verändert könnte und dass die Anbringung einer Prothese einen Einfluss auf den Schaden haben könnte, sodass die Dauerschäden zum jetzigen Zeitpunkt nicht statisch und konstant seien.

Aus diesem Grund verweigerte der Appellationshof Lüttich dem Opfer die Kapitalisierung seines Schadens.

Der Kassationshof entschied, dass das Gericht nur dann eine Pauschale anwenden kann, wenn es begründet, warum die Entschädigungsmethode, die vom Opfer vorgeschlagen wird, nicht angenommen werden kann und wenn er feststellt, dass es eine Unmöglichkeit gibt den Schaden anders als durch eine Pauschale festzulegen.

Diese Gründe müssen rechtmäßig sein.

In diesem Fall, in dem das Opfer die Kapitalisierung vorgeschlagen hat, hat das Gericht diese abgewiesen und den dauerhaften persönlichen Unfähigkeitsschaden durch eine Pauschale entschädigt, weil der Schaden in Zukunft noch variieren könnte. Die Entscheidung wurde vom Kassationshof kassiert, insofern das Gericht sicher sein muss, dass der Schaden fluktuiert, um die Kapitalisierungsmethode auszuschließen. Hypothetische Fluktuationen reichen nicht aus (Kass., 28/02/2020, C. 19.0358.f, siehe auch Kass., 19/02/2020, P. 19.109.f für ein Beispiel eines rechtmäßigen Ausschlusses einer Kapitalisierung).

Eine Verschlimmerung der Strafe nach alleinigem Einspruch des Beschuldigten ist nicht möglich! Jedoch, wann redet man von einer Verschlimmerung der Strafe?

Der Kassationshof war mit einer Angelegenheit befasst, im Rahmen welcher ein Beschuldigter, durch ein Versäumnisurteil zu 6 Jahren Haft und einem Einzug von 57.842,00 € verurteilt wurde.

Gegen dieses Versäumnisurteil legte der Beschuldigte Einspruch ein. Die Staatsanwaltschaft hat keine Berufung eingelegt. Nach dem Einspruch, reduzierte der Appellationshof die Gefängnisstrafe auf 65 Monate, erhöhte die Einzugsstrafe jedoch auf 442.283,00 €.

Der Kassationshof urteilte, dass diese Erhöhung rechtens war.

Er bestätigte, dass, insofern die Staatsanwaltschaft keine Berufung gegen das Versäumnisurteil eingelegt hatte, die Strafe gegenüber dem Beschuldigten, der Einspruch eingelegt hat und danach gegen das Einspruchsurteil Berufung einlegte, nicht verschlimmert werden kann, auch wenn die Staatsanwaltschaft ebenfalls gegen dieses Einspruchsurteil Berufung eingelegt hat.

Der Kassationshof entschied jedoch, dass, um die Schwere der Strafe zu beurteilen, man zunächst die Gefängnisstrafen vergleichen muss und, wenn die Gefängnisstrafe milder ist, ist das Urteil automatisch milder, egal was mit den anderen Strafen geschieht (Kass., 19/02/2020, P. 19.1247.f).

Ein Haftbefehl ist illegal, wenn der Untersuchungsrichter den Beschuldigten im Rahmen einer falschen Qualifizierung der Fakten vernimmt.

In der Regel muss ein Beschuldigter, bevor ein Haftbefehl durch den Untersuchungsrichter erlassen wird, bezüglich der Taten, die die Grundlage der Beschuldigungen sind und die zum Erlassen eines Haftbefehls führen können, in seinen Bemerkungen angehört werden.

Diese Befragung stellt ein Attribut der Verteidigungsrechte und der individuellen Freiheit eines Jeden dar. Sie dient dazu, dass der Beschuldigte den Untersuchungsrichter seine Bemerkungen bezüglich der Beschuldigung, die gegen ihm vorgebracht wird, unterbreiten kann.

Daher darf der Untersuchungsrichter nicht die Qualifizierung der Taten, die dem Beschuldigten vorgeworfen werden, ändern, ohne ihn erneut zu vernehmen.

In einer Angelegenheit, die unlängst beurteilt wurde, hatte ein Untersuchungsrichter einen Beschuldigten wegen unterlassener Hilfeleistung vernommen und dann Haftbefehl erlassen. Im Nachhinein wurde die Qualifizierung auf dem Haftbefehl in Todschlag geändert. Der Beschuldigte ist bezüglich der Qualifizierung des Todschlags nicht vernommen worden.

Der Kassationshof kassierte die Entscheidung der Anklagekammer, die diesen Haftbefehl für rechtmäßig erklärte (Kass., 4/03/2020, P. 20.0225.f).

Erweiterterte Befugnisse des Standesbeamten für Berichtigungen, Abänderungen und Annulierungen von Standesamtsurkunden

Wenn eine Personenstandsurkunde (Beispiele: Geburtsurkunden, Heiratsurkunden, …) fehlerhaft ist, hängt es von der Art des Fehlers ab, ob die Urkunde durch den Standesbeamten oder das Familiengericht berichtigt werden muss.

Der Gesetzgeber (1) hat in diesem Zusammenhang die Zuständigkeiten des Standesbeamten erweitert, so dass es weniger häufig notwendig sein wird, vor Gericht zu ziehen und Berichtungen schneller vollzogen werden können.

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Missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung: Schaffung einer Einspruchsmöglichkeit gegen Entscheidung des Standesbeamten

Durch Entscheid Nr. 58/2020 vom 7. Mai 2020 hatte der Verfassungsgerichtshof entschieden, dass die von einer Vaterschaftsanerkennung (oder in seltenen Fällen: Mutterschafstanerkennung) betroffenen Personen die Möglichkeit haben müssen, vor Gericht zu ziehen, wenn der Standesbeamte Anerkennung des Abstammungsverhältnisses nicht beurkunden möchte, da er davon ausgeht, dass ein Missbrauch vorliegt.

Zur Erinnerung: Von einer missbräuchlichen Anerkennung eines Abstammungsverhältnisses spricht man, wenn offensichtlich ist, dass die Anerkennung der Vaterschaft oder Mutterschaft nur auf einen aufenthaltsrechtlichen Vorteil abzielt.

Durch Gesetz vom 31. Juli 2020 über dringende Maßnahmen im Justizwesen, welches am 17. August 2020 in Kraft getreten ist, wurde nun eine Einspruchsmöglichkeit gegen solche Entscheidungen vorgesehen: Die Person, welche die Vaterschaftsanerkennung/Mutterschaftsanerkennung vornehmen wollte, die der Standesbeamte nicht beurkunden möchte, kann innerhalb eines Monats ab der Notifizierung vor das Familiengericht ziehen.

Bei seiner Entscheidung muss das Gericht die Interessen des Kindes vorrangig berücksichtigen.

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