Wallonische Region erkennt die Überschwemmungen vom 14., 15. und 16. Juli als „öffentliche Naturkatastrophe“ an

Die Regierung der Wallonischen Region hat die Überschwemmungen in den 84 Gemeinden der Provinz Lüttich (darunter die neun deutschsprachigen Gemeinden) sowie in weiteren Provinzen und Gemeinden als öffentliche Naturkatastrophe anerkannt.

Der Erlass der Regierung muss noch im Belgischen Staatsblatt veröffentlicht werden.

Ab dem ersten Tag, welcher auf diese Veröffentlichung folgt, haben die betroffenen Bürger drei Monate Zeit, um beim regionalen Katastrophenhilfsdienst einen Antrag auf Entschädigung einzureichen.

Schäden an beweglichen oder unbeweglichen Gütern (Immobilien), die durch eine Überschwemmung entstanden sind, können nur dann entschädigt werden, wenn sie nicht durch einen Versicherungsvertrag (Feuerversicherung) gedeckt werden können.

Die Entschädigung betrifft nur bestimmte Güter:

  • Güter, bei denen es sich nicht um „einfache Risiken“ handelt (Immobilien im Freien wie Gartenhäuser oder bestimmte bewegliche Güter im Freien wie Gartenmöbel, …),
  • Fahrzeuge, die zum gewöhnlichen Transport eines Haushaltes dienen und die mindestens 5 Jahre alt sind, vorausgesetzt sie sind nicht durch eine Kaskoversicherung gedeckt,
  • Böden,
  • Waldbestände,
  • Kulturen,
  • Lebendviehbestände außerhalb von Gebäuden,
  • Ernten.

Personen, deren finanzielle Lage es ihnen nicht erlaubt, ihre Güter zu versichern und die ein Eingliederungseinkommen oder eine vergleichbare Unterstützung beziehen, können jedoch auch eine Entschädigung für den Inhalt oder das Gebäude beantragen.

Der Entschädigungsantrag muss durch den Eigentümer der Güter eingereicht werden.

Derzeit muss noch folgendes Formular ausgefüllt werden: https://interieur.wallonie.be/sites/default/files/2021-05/formulaireEntsch%C3%A4digungsantrag.pdf. Die Regierung hat jedoch angekündigt, in den nächsten Tagen, die Entschädigungsprozedur dem Ausmaß der Überschwemmungen anpassen zu wollen. Es könnte also sein, dass in Kürze ein spezielles Formular herausgegeben wird.

Wenn die Güter versichert sind, muss vorher eine Beteiligung der Versicherungsgesellschaft beantragt werden.

Wenn der Antrag vollständig und zulässig ist, werden die Schäden gemeinsam eingeschätzt. Die Höhe des Schadensersatzes wird aufgrund einer Tabelle mit verschiedenen Tranchen bestimmt. Alle erhaltenen Entschädigungen und Beihilfen werden abgezogen. Die Kosten von Schutzmaßnahmen, die auf Kosten des Geschädigten ergriffen und als nützlich für die Schadensbegrenzung anerkannt wurden, können zu 70 % übernommen werden.

Die Entscheidung des regionalen Katastrophenhilfsfonds kann innerhalb von 60 Tagen beim Fonds selbst beanstandet werden. Sie kann auch gerichtlich angefochten werden.

Anpassung der Prozedur vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte

Am 1. August 2021 tritt das 15. Protokoll zur Abänderung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) in Kraft.

In diesem Zusammenhang wird die Frist, um eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) einzureichen, ab dem 1. Februar 2022 von sechs Monaten auf vier Monate ab der endgültigen innerstaatlichen Entscheidung verringert.

In die Präambel der EMRK wurde der Grundsatz der Subsidiarität aufgenommen, wonach es in erster Linie Aufgabe der Staaten ist, die Achtung der in der EMRK und den Zusatzprotokollen bestimmten Rechte und Freiheiten zu gewährleisten. Es wurde auch präzisiert, dass sie dabei über einen (gewissen) Ermessensspielraum verfügen, dessen Ausübung durch den EGMR geprüft werden kann.

Eine Beschwerde beim EGMR muss gut vorbereitet werden: So müssen die innerstaatlichen Rechtsbehelfe erschöpft werden, d.h. dass in der Regel zunächst die innerstaatlichen Klagemöglichkeiten in Bezug auf Menschenrechtsverletzungen durchlaufen werden müssen, bevor der EGMR mit einem Problem befasst werden darf. Im Rahmen dieser innerstaatlichen Verfahren müssen die angeführten Menschenrechtsverletzungen zumindest im Kern vorgebracht worden sein. Es sind weitere Zulässigkeitsbedingungen zu erfüllen (Opfereigenschaft, Beschwerdeformular, …).

Für Fragen bezüglich der Prozedur vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte können Sie sich an RA Robinet wenden, welcher eine Zusatzausbildung in Menschenrechten befolgt hat.

Europäischer Gerichtshof zu Rechtsbehelfen gegen Überstellungsentscheidungen im Rahmen eines Dublin-Verfahrens

Die sog. „Dublin-III-Verordnung“ legt fest, welcher europäische Staat für die Bearbeitung eines Asylantrages zuständig ist.

Der europäische Staat, in welchem der Asylbewerber sich befindet, kann entscheiden, den Asylbewerber dem zuständigen EU-Mitgliedstaat zu überstellen.

Der betroffene Asylbewerber hat die Möglichkeit eine solche Überstellungsentscheidung vor Gericht anzufechten.

In Belgien kann eine Überstellungsentscheidung im Rahmen einer Nichtigkeitsklage vor dem Rat für Ausländerstreitsachen (RAS) angefochten werden. Der RAS prüft lediglich die Legalität des Überstellungsbeschlusses.

In einem Entscheid C-194/19 vom 15. April 2021 (H.A. g. Belgischer Staat) hat der Europäische Gerichtshof klargestellt, dass das Gericht im Rahmen einer solchen Prüfung die Möglichkeit haben muss, Umstände, welche nach der Überstellungsentscheidung eingetreten sind, zu berücksichtigen, wenn diese entscheidend sind, um zu bestimmen, ob die Dublin-III-Verordnung korrekt angewandt wurde, es sei denn der betroffene Asylbewerber hätte die Möglichkeit aufgrund dieser neuen Elemente einen weiteren Einspruch einzureichen.

Der Rat für Ausländerstreitsachen wird seine bisherige Praxis, bei der Legalitätsprüfung einer Überstellungsentscheidung keinen neuen Elemente zu berücksichtigen, demnach anpassen müssen.

Verfassungsgerichtshof zum Erfordernis einer Umweltprüfung bei der Aufhebung gewisser „kommunaler Raumordnungspläne“

Ein kommunaler Raumordnungsplan ermöglichte es Gemeinden, die Raumordnung auf ihrem Gebiet detailliert zu organisieren.

Ein solcher Plan erlaubte es den Gemeinden, auf kommunaler Ebene den Sektorenplan durch Vervollständigung oder gar Revidierung zu präzisieren.

Seit der Reform der Raumordnungs- und Städtebaugesetzgebung im Jahr 2017 (Einführung des Gesetzbuches für räumliche Entwicklung) spricht man bei kommunalen Raumordnungsplänen, welche den Sektorenplan revidiert haben, von sog. „lokalen Orientierungsschemen“.

Art. D.II.66 § 4 des Gesetzbuches über die räumliche Entwicklung sah in diesem Zusammenhang vor, dass vor dem 22. April 1962 gebilligte Raumordnungspläne, die seit diesem Datum unverändert geblieben waren, und deren Beibehaltung nicht innerhalb eines Jahres ab der Einführung des Gesetzbuches durch den Gemeinderat beschlossen wurde, automatisch aufgehoben wurden. Eine vorherige Umweltprüfung war nicht vorgesehen.

In einem Entscheid Nr. 75/2021 vom 21. Mai 2021 hat der Verfassungsgerichtshof klargestellt, dass der Gesetzgeber eine solche Aufhebung nicht grundsätzlich vom Erfordernis einer Umweltprüfung befreien durfte. Es hätte im Einzelfall geprüft werden müssen, ob eine Umweltprüfung erforderlich war. So sieht die europaïsche Gesetzgebung vor, dass keine Umweltprüfung für Pläne bezüglich „kleiner Gebiete auf lokaler Ebene“ oder bei „geringfügigen Änderungen“ von Plänen erforderlich ist, wenn diese keine erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben können. Laut Verfassungsgerichtshof durfte der Gesetzgeber nicht davon ausgehen, dass jede Aufhebung eines kommunalen Raumordnungsplans, der vor dem 22. April 1962 gebilligt wurde und seitdem nicht mehr verändert wurde, in eine dieser Kategorien fällt.

Die bestehende Regelung verletzte die Art. 10 und 11 der Verfassung (Gleichheitsgebot und Nichtdiskriminierungsverbot) in Verbindung mit der Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme.

Verfassungsgerichtshof zum Anrecht von Personen, die Belgier werden wollen, auf eine Prozesskostenvergütung

Im Rahmen einer Staatsbürgerschaftserklärung hat die Staatsanwaltschaft die Möglichkeit ein negatives Gutachten abzugeben, wenn sie der Ansicht ist, dass die Person, welche Antrag eingereicht hat, um Belgier zu werden, nicht die erforderlichen Bedingungen erfüllt.

Der Antragsteller hat die Möglichkeit dieses negative Gutachten vor dem Familiengericht in Frage zu stellen.

Vor dem Verfassungsgerichtshof wurde die Frage aufgeworfen, ob die Auslegung, wonach der Antragsteller, wenn das negative Gutachten durch das Gericht aufgehoben wird, kein Anrecht auf eine Prozesskostenvergütung zu Lasten der Staatsanwaltschaft hat, verfassungskonform ist.

In einem Entscheid Nr. 72/2021 vom 20. Mai 2021 hat der Verfassungsgerichtshof klargestellt, dass die Staatsanwaltschaft im Rahmen einer solchen Prozedur als Gegenpartei gilt und demnach, wenn sie unterliegt, zu einer Prozesskosten verurteilt werden kann.

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