Palästinenser aus dem Gazastreifen können keinen effektiven Schutz des UNRWA genießen.

Palästinenser können unter vereinfachten Bedingungen das Flüchtlingsstatut erhalten.

Vorrausetzung ist, dass Sie den Schutz oder Beistand des Hilfswerkes der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) genossen haben, dieser Schutz oder Beistand jedoch weggefallen ist (vgl. Art. 1.D der Genfer Flüchtlingskonvention).

Aus der europäischen Rechtsprechung ergibt sich, dass dieser Schutz oder Beistand nicht freiwillig aufgegeben worden sein darf.

Hierfür müssen laut Rat für Ausländerstreitsachen zwei Bedingungen erfüllt: Einerseits muss der Antragsteller sich persönlich in einer schweren Unsicherheitssituation befunden haben und andererseits darf das UNRWA nicht in der Lage gewesen sein, seinen Schutzauftrag korrekt wahrzunehmen.

In diesen Fällen wird der betroffene Ausländer automatisch als Flüchtling anerkannt.

In seinen Entscheiden Nr. 219 546 vom 8. April 2019 und Nr. 220 747 vom 6. Mai 2019 hat der Rat für Ausländerstreitsachen nun entschieden, dass bei Palästinensern aus dem Gazastreifen, die beim UNRWA registriert waren, diese Bedingungen im Prinzip erfüllt sind, so dass ihnen das Flüchtlingsstatut zuerkannt werden muss. 

Behindertenbeihilfe: Auch Personen mit subsidiären Schutz haben ein Anrecht.

Um in Belgien eine Beihilfe für Personen mit Behinderung zu erhalten, muss man laut Gesetz Belgier, Unionsbürger, Staatenloser, Flüchtling oder unter gewissen Bedingungen Marokkaner, Algerier oder Tunisier sein. Personen mit subsidiärem Schutz (einer gewissen Form von Asyl/internationalem Schutz) werden gesetzlich vom Anrecht auf eine Behindertenbeihilfe ausgeschlossen.

Eine europäische Richtlinie sieht jedoch vor, dass Personen, denen Asyl/internationaler Schutz gewährt wurde, im Prinzip unter denselben Bedingungen wie Staatsangehörige Anrecht auf Sozialhilfeleistungen haben. Unter gewissen Bedingungen ist möglich, Ausnahmen zu machen.

Der Arbeitsgerichtshof Brüssel (Entscheid Nr. 2018/AB/223 vom 15. April 2019) ist der Ansicht, dass diese Bedingungen, um eine Ausnahme für Personen mit subsidiärem Schutz zu machen, nicht erfüllt sind und Personen mit subsidiärem Schutz demnach ebenfalls Anrecht auf Behindertenbeihilfen haben. Dem europäischen Recht müsse Vorrang gegenüber der belgischen Gesetzgebung gegeben werden.

Missachtung der Berufungsfrist: Gab es eine klare, zuverlässige und offizielle Rechtsmittelbelehrung?

Der Antragsteller beabsichtigte Belgier zu werden. Sein Antrag wurde in erster Instanz abgelehnt. Im Prinzip verfügte er lediglich über eine Frist von 15 Tagen ab der Notifizierung der erstinstanzlichen Entscheidung, um Berufung einzulegen. Er reichte seinen Berufungsantrag jedoch nach Ablauf dieser Frist, innerhalb der gewöhnlichen Berufungsfrist von einem Monat ein.

Das erstinstanzliche Urteil wurde in Anwendung einer Gesetzesbestimmung bezüglich der gewöhnlichen Berufungsfrist notifiziert. Die Notifizierung enthielt weder eine allgemeine Rechtsmittelbelehrung noch einen Verweis auf die kürzere Berufungsfrist in Nationalitätssachen. Der Antragsteller wurde daher – laut eines Entscheid des Appellationshofes Lüttich vom 19. September 2019  – nicht nur im Unklaren über die Fristen und Modalitäten eines Rechtsmittels gegen das erstinstanzliche Urteil belassen, sondern könnte auch irregeführt worden sein.

Unter Verweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) kommt der Appellationshof Lüttich daher zu dem Schluss, dass mangels klarer, zuverlässiger und offizieller Rechtsmittelbelehrung, die Verteidigungsrechte des Antragstellers und sein Recht auf Zugang zur Justiz verletzt würden, wenn man seinen Berufungsantrag nicht – trotz Verpassens der eigentlichen Berufungsfrist – inhaltlich prüfen würde. Der Berufungsantrag wurde daher für zulässig erklärt.

Die Besonderheit in diesem Fall war, dass der Berufungsantrag mit Hilfe eines Anwalts eingereicht worden war. Dies hat jedoch keinen Einfluss auf die Entscheidung des Appellationshofes gehabt.

Staatsrat: Erhöhung der Bearbeitungsgebühr für Aufenthaltsanträge zwischen dem 1. März 2017 und dem 2. Januar 2019 war ebenfalls illegal.

Ausländer, welche einen Aufenthaltsantrag einreichen, müssen seit dem 1. März 2015 eine Bearbeitungsgebühr zahlen.

Durch einen Königlichen Erlass vom 14. Februar 2017 wurde die Bearbeitungsgebühr für Regularisierungsanträge aus humanitären Gründen (Art. 9bis) von 215 € auf 350 € erhöht. Außerdem wurde die Bearbeitungsgebühr für andere Aufenthaltsanträge (gewisse Familienzusammenführungen, …) von 160 € auf 200 € erhöht.

Durch Entscheid Nr. 245.403 vom 11. September 2019 hat der Staatsrat diese Erhöhung für illegal erklärt, so dass die betroffenen Personen beim Ausländeramt eine Rückerstattung - zumindest der Erhöhung - beantragen können.

Der Kassationshof stärkt die Rechte der Arbeitslosen:

Bevor das Landesamt für Arbeitsbeschaffung eine Entscheidung trifft, die zur Folge hat, dass das Recht auf Arbeitslosenunterstützung ausgesetzt oder abgelehnt wird, oder der Antragsteller eine Ausschlussstrafe erhält, muss der Direktor, oder die Person, die er hierfür delegiert, den Sozialversicherten anhören. Diese Formalität ist substanziell und somit der Nichtigkeit unterworfen, was dazu führt, dass, wenn die Person nicht angehört wurde, oder aber durch eine Person angehört wurde, die nicht die Delegation des Direktors erhalten hat, die darauffolgende Entscheidung nichtig ist.

Selbst wenn die Arbeitsgerichtsbarkeit die Nichtigkeit dieser Entscheidung ausspricht, muss sie eine neue Entscheidung bezüglich der Rechte des Sozialversicherten aussprechen. Wenn die Arbeitsgerichtsbarkeit eine Entscheidung des Landesamts für Arbeitsbeschaffung annulliert und eine neue Entscheidung trifft, gilt die Verjährung auf Rückforderungen von zu Unrecht gezahlten Arbeitslosenunterstützungen ab dem Tag an dem die Arbeitsgerichtsbarkeit mit dem Fall befasst worden ist und nicht ab dem Tag der Notifizierung der Entscheidung des Landesamts für Arbeitsbeschaffung (Kass., 20/05/2019 S. 16.0094. F).

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