Der EGMR fordert den Belgischen Staat auf, eine Verurteilung, einen Asylbewerber zu beherbergen, auszuführen

Seit Monaten sind zahlreiche Asylbewerber in Belgien mangels ausreichender Aufnahmeplätze auf sich selbst gestellt, bzw. auf die Solidarität der belgischen Zivilgesellschaft angewiesen. Viele leben auf der Straße.

In diesem Kontext hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) erstmals eine einstweilige Maßnahme angeordnet:

Einem Asylbewerber war durch FEDASIL kein Aufnahmeplatz zugewiesen worden. Daraufhin zog er vor das Arbeitsgericht, welches FEDASIL unter Androhung eines Zwangsgeldes verurteilte, ihn zu beherbergen und ihm medizinische Unterstützung zu gewähren. Trotz mehrfacher Aufforderungen, diesen Asylbewerber unterzubringen, war FEDASIL der Verurteilung auch drei Monate nach der Verurteilung noch nicht nachgekommen. Der betroffene Asylbewerber lebte unterdessen weiterhin auf der Straße.

Der Belgische Staat wurde daher am 31. Oktober 2022 durch den EGMR (Rs. Camara g. Belgien) aufgefordert, die Verurteilung durch das belgische Arbeitsgericht, den Asylbewerber unterzubringen und ihm eine materielle Hilfe zu gewähren, auszuführen, damit er seinen Grundbedürfnissen nachkommen kann.

Zur Info: Der Gerichtshof gibt Anträgen auf einstweilige Maßnahmen nur in Ausnahmefällen statt, wenn der Antragsteller - ohne solche Maßnahmen - einem tatsächlichen Risiko ausgesetzt wäre, einen nicht wiedergutzumachenden Schaden zu erleiden. 

Wallonische Region verbietet Ausweisungen vom 1. November 2022 bis zum 15. März 2023

Durch ein Dekret vom 22. September 2022, welches am 11. Oktober 2022 in Kraft tritt, verbietet die Wallonische Region die Ausweisungen von Mietern zwischen dem 1. November 2022 und dem 15. März 2023, selbst wenn diese durch eine Gerichtsentscheidung oder eine Verwaltungsentscheidung angeordnet wurde, es sei denn die Grundlage für diese Entscheidung sei die öffentliche Sicherheit gewesen, die Gesundheit der Person, die die Immobilie benutzt oder wenn diese die Immobilie willentlich beschädigt.

Seitdem die Deutschsprachige Gemeinschaft die Kompetenz für den Wohnungsbau übernommen hat, gelten die Entscheidungen der Wallonischen Region nicht mehr auf dem Deutschsprachigen Sprachgebiet.

Ein Fahrverbot gilt auch für Motorfahrzeuge, wofür man keinen Führerschein braucht

Wenn jemand ein Fahrverbot auferlegt bekommen hat, stellt sich die Frage, ob dieses Fahrverbot auch für Fahrzeuge gilt, für die man kein Führerschein braucht, wie zum Beispiel leichte Mopeds.

Insofern das Gesetz vorsieht, dass der Richter ein Fahrverbot für Motorfahrzeuge ausspricht, gilt das Fahrverbot für sämtliche Fahrzeuge, die einen Motor haben, ungeachtet dessen, ob ein Führerschein notwendig ist oder nicht (Kass., 25/05/2021, P.21.0345.N).

Es gibt Fälle, in denen die Wiedererlangung des Rechtes zu fahren, davon abhängig gemacht wird, dass die bestrafte Person verschiedene Prüfungen besteht.  In diesen Fällen, selbst wenn das Fahrverbot abgelaufen ist, bekommt der Betroffene seine Fahrerlaubnis erst zurück, wenn er die entsprechenden Prüfungen bestanden hat.

In diesem Fall gilt jedoch, dass er nach dem Ablauf des Fahrverbots und auch wenn er die entsprechenden Prüfungen noch nicht bestanden hat, sämtliche Motorfahrzeuge fahren darf, für die kein Führerschein notwendig ist (Kass., 21/01/2020).

Die mit einer Strafangelegenheit befasste Strafkammer kann die Untersuchungshaft des Beschuldigten aufheben, eine bedingte Freilassung anordnen oder durch eine elektronische Überwachung ersetzen

Wenn ein Beschuldigter zu diesem Zeitpunkt noch in Untersuchungshaft ist, entscheidet die Ratskammer oder gegebenenfalls die Anklagekammer, bei der Verfahrensregelung, ob die Untersuchungshaft aufrechterhalten wird, ob der Beschuldigte unter Bedingungen in Freiheit gelassen wird, oder ob die Untersuchungshaft durch eine elektronische Überwachung ersetzt wird.

Immer dann wenn die Ratskammer oder die Anklagekammer die Untersuchungshaft aufrechterhält, und der Beschuldigte, nachdem die Strafkammer des Gerichts befasst wurde noch in Untersuchungshaft verweilt, kann er zu jedem Zeitpunkt einen Antrag auf Freilassung (mit oder ohne Bedingungen) oder auch auf elektronische Überwachung stellen, auch wenn die letzte Modalität im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen ist. (Kass., 25/08/2021, P.21.1144.N).

Verfassungsgerichtshof hat wenig an der gesetzlichen Grundlage der damaligen Coronamaßnahmen (Strafen) auszusetzen

Es hat Monate gedauert, bis in Belgien ein Pandemiegesetz verabschiedet wurde.

Bis dahin beruhten die Coronamaßnahmen vor allem auf einem Gesetz vom 15. Mai 2007 bezüglich der zivilen Sicherheit, welches den Innenminister befugt, um die Bevölkerung zu schützen, in gefährlichen Situationen Maßnahmen zu ergreifen, deren Missachtung strafrechtlich verfolgt werden kann.

Es gab jedoch Bedenken, ob die Gesetzgebung, die in Folge der Ghisleghien-Katastrophe verabschiedet worden war, auch als gesetzliche Grundlage für Coronamaßnahmen, bzw. für Strafmaßnahmen bei deren Missachtung dienen konnte.

In einem Entscheid vom 22. September 2022 kommt der Verfassungsgerichtshof zu dem Schluss, dass diese Vorgehensweise im Wesentlichen verfassungskonform war: Der strafrechtliche Legalitätsgrundsatz, wonach zumindest die wesentlichsten Elemente einer Strafverfolgung in einem Gesetz enthalten sein müssen, sei nicht verletzt worden. Die Verfassung werde jedoch verletzt, indem das Gesetz keine strafmildernden Umstände zulasse.

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