Verfassungsgerichtshof hat wenig an der gesetzlichen Grundlage der damaligen Coronamaßnahmen (Strafen) auszusetzen

Es hat Monate gedauert, bis in Belgien ein Pandemiegesetz verabschiedet wurde.

Bis dahin beruhten die Coronamaßnahmen vor allem auf einem Gesetz vom 15. Mai 2007 bezüglich der zivilen Sicherheit, welches den Innenminister befugt, um die Bevölkerung zu schützen, in gefährlichen Situationen Maßnahmen zu ergreifen, deren Missachtung strafrechtlich verfolgt werden kann.

Es gab jedoch Bedenken, ob die Gesetzgebung, die in Folge der Ghisleghien-Katastrophe verabschiedet worden war, auch als gesetzliche Grundlage für Coronamaßnahmen, bzw. für Strafmaßnahmen bei deren Missachtung dienen konnte.

In einem Entscheid vom 22. September 2022 kommt der Verfassungsgerichtshof zu dem Schluss, dass diese Vorgehensweise im Wesentlichen verfassungskonform war: Der strafrechtliche Legalitätsgrundsatz, wonach zumindest die wesentlichsten Elemente einer Strafverfolgung in einem Gesetz enthalten sein müssen, sei nicht verletzt worden. Die Verfassung werde jedoch verletzt, indem das Gesetz keine strafmildernden Umstände zulasse.

Verfassungsgerichtshof zum Anrecht auf Entschädigung eines Einzelnen, der legale Coronamaßnahmen ertragen musste

Während des Lockdowns wurden Zwangsräumungen aus Wohnungen in den verschiedenen Regionen des Landes – darunter in der Region Brüssel Hauptstadt – vorübergehend verboten.

Eine Eigentümervereinigung hat vor dem Verfassungsgerichtshof gegen das Brüsseler Gesetz geklagt, insofern Eigentümern zeitweise die Möglichkeit genommen wurde, Mieter vor die Türe zu setzen.

Da der Verfassungsgerichtshof keine Verletzung der Verfassung (Zuständigkeitsregeln und Menschenrechte) feststellen konnte, wurde diese Klage durch Entscheid Nr. 97/2022 vom 14. Juli 2022 abgewiesen.

Allerdings hat der Hof klargestellt, dass, wenn entsprechende Maßnahmen ergriffen werden, der Grundsatz der Gleichheit der Bürger vor den öffentlichen Lasten eingehalten werden muss.

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EGMR stellt erstmals eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention aufgrund von Coronamaßnahmen fest

In seinem Urteil Communauté genevoise d’action syndicale (CGAS) g. Schweiz vom 15. März 2022 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eine Verletzung des Artikels 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention (Versammlungsfreiheit) festgestellt.

In dieser Angelegenheit ging es darum, dass eine Arbeitnehmervereinigung sich aufgrund eines allgemeinen Versammlungsverbotes daran gehindert sah, öffentliche Versammlungen zu organisieren. So hätte die Vereinigung gerne u.a. am 1. Mai 2020 eine Kundgebung organisiert. In der Schweiz waren zu diesem Zeitpunkt jedoch aufgrund der Coronapandemie Menschenansammlung unter Androhung von strafrechtlichen Sanktionen verboten.

Der Gerichtshof, ohne die Bedrohung zu verkennen, die das Coronavirus für die Gesellschaft und die Gesundheit darstellt, kommt aufgrund der Bedeutung der Freiheit sich in einer demokratischen Gesellschaft friedlich versammeln zu können, der Themen und Werte, für welche die Vereinigung eintritt, des allgemeinen Charakters und der langen Dauer des Verbots öffentlicher Versammlungen sowie der Art und der Schwere der vorgesehenen strafrechtlichen Sanktionen zu dem Schluss, dass der Eingriff in die Ausübung der Versammlungsfreiheit nicht in einem angemessenen Verhältnis zu verfolgten Zielen stand. Er stellt auch fest, dass die internen Gerichte keine ausreichende Kontrolle der verhängten Maßnahmen vorgenommen haben.

Verfassungsgerichtshof präzisiert die Haftungsbedingungen des Staates im Falle eines Fehlers durch die Gerichtsbarkeiten

Der Belgische Staat kann haftbar gemacht werden für die Fehler, die Gerichte begehen.

Wenn ein Gericht, dessen Entscheidung Gegenstand eines Rekurses sein kann, einen Fehler gemacht hat, dann kann die Haftung des Belgischen Staates erst dann gegeben sein, wenn diese Entscheidung im Rahmen eines Rechtsmittels angegriffen wurde und reformiert zurückgenommen oder annulliert wurde.

Es gibt jedoch verschiedene Gerichte, deren Entscheidungen nicht mit einem Rechtsmittel angegriffen werden können, weil sie in der letzter Instanz gefällt werden.

Diese Entscheidungen können also weder zurückgenommen, reformiert oder annulliert werden.

Der Fassungsgerichtshof hat nun präzisiert, unter welchen Voraussetzungen, die Haftung des Belgischen Staates für die Fehler, die diese Gerichte begehen, gegeben sein kann.

Bezüglich der Fehler aller Gerichte, außer die des Kassationshofes, des Verfassungsgerichtshofes und des Staatsrates, gelten die normalen Haftungsregeln.

Wenn die Haftung des Kassationshofes, des Staatsrates oder des Verfassungsgerichtshofes gesucht wird, muss man jedoch nachweisen, dass es sich um einen charakterisierten, schweren Fehler handelt (VGH 21/01/2021, Nr. 7).

Verfassungsgerichtshof äußert sich zur Verjährung von Forderungen gegen den Staat

Artikel 100 der koordinierten Gesetze über die Staatsbuchführung sieht vor, dass (gewisse) Forderungen gegen den Staat fünf Jahre nach dem 1. Januar des Haushaltsjahres, in welchem sie entstanden sind, verjähren.

Diese Verjährungsregel findet auch Anwendung, wenn eine außervertragliche Haftung des Staates geltend gemacht wird.

Der Verfassungsgerichtshof hat nun klargestellt, dass die Verjährungsfrist in solchen Fällen erst zu laufen beginnen kann, wenn sowohl der Schaden als auch die Identität des Verantwortlichen bekannt sind.

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