COVID-19: Vorübergehende Anpassung der Prozedur beim Staatsrat (Aufschiebung von Fristen und schriftliches Verfahren).

Im Rahmen der Coronamaßnahmen wurde die Funktionsweise der Gerichte vorübergehend angepasst. Durch den Sonderbefugniserlass Nr. 12 vom 21. April 2020 wurde auch die Prozedur der Verwaltungsstreitsachenabteilung des Staatsrates angepasst.

Alle Fristen für die Einleitung eines Verfahrens (insbesondere Nichtigkeitsklagen) vor dem Staatsrat sowie alle Fristen, die im Rahmen der Bearbeitung einer Klage durch den Staatsrat (Hinterlegung von Schriftsätzen, …) einzuhalten sind, die zwischen dem 9. April und 3. Mai 2020 ausliefen, wurden automatisch bis zum 2. Juni 2020 verlängert.

Logischerweise gilt diese Fristverlängerung nicht für Eilverfahren (Aussetzungsklagen in äußerster Dringlichkeit). Solche Anträge werden weiterhin bearbeitet, können jedoch vorläufig ohne öffentliche Sitzung durch den Staatsrat in Beratung genommen werden, vorausgesetzt alle Parteien sowie der Auditor konnten schriftlich ihre Anmerkungen vorbringen. Eine Anhörung via Videokonferenz ist jedoch ebenfalls möglich.

Auch die „gewöhnlichen“ Verfahren vor dem Staatsrat (Nichtigkeitsklagen, Anträge auf Entschädigung) können, mittels Einverständnis aller Parteien, ohne öffentliche Sitzung durch den Staatsrat bearbeitet werden.

Zusammengefasst bedeutet dies, dass die Fristen zwecks Einreichung und Bearbeitung von Klagen (mit Ausnahme der Klagen in äußerster Dringlichkeit) beim Staatsrat teilweise vorläufig verlängert wurden und vorläufig ein schriftliches Verfahren (ohne öffentliche Sitzung) Anwendung findet.

Wenn Sie sich die Frage stellen, ob Sie von dieser Fristverlängerung profitieren können, können Sie Kontakt mit unserer Kanzlei aufnehmen.

 

Gemeindeverwaltungsstrafen: Die Frist, die der sanktionierende Beamte zur Verfügung hat, um den Sachverhalt, die Fakten und die Strafe mitzuteilen ist eine Ordnungsfrist und somit nicht der Nichtigkeit unterworfen.

Aufgrund des Artikels 29, § 1 des Gesetzes vom 24. Juli 2013 bezüglich der Gemeindeverwaltungsstrafen hat der sanktionierende Beamte eine Frist von 15 Tagen ab dem Zeitpunkt, an dem er den Feststellungsbericht bezüglich der Straftat erhält, um, durch ein einfaches Schreiben, dem Zuwiderhandelnden die Angaben bezüglich der festgestellten Fakten und die Verwaltungsstrafe mitzuteilen.

In einer Angelegenheit, in der der sanktionierende Beamte diese Frist verpasst hat, hat das Polizeigericht Namur geurteilt, dass, aufgrund der Fristverletzung, die Verwaltungsstrafe als illegal anzusehen ist.

Der Kassationshof hat diese Entscheidung annulliert und entschieden, dass die Frist, die der sanktionierende Beamte zur Verfügung hat, nur eine Ordnungsfrist ist, deren Überschreitung nicht durch die Nichtigkeit bestraft wird (Kass., 27/06/2019, C. 18.0618.F).

Eine legale Veröffentlichung einer Gemeindeverordnung verlangt einen korrekten Hinweis auf die Entscheidung der Aufsichtsbehörde.

Eine Gesellschaft wurde von der Gemeinde PERUWELZ veranlagt, weil sie auf dem Gemeindeterritorium eine nicht gebrauchte Immobilie besaß. Die Gemeinde verlangte, aufgrund einer Gemeindeverordnung, die sogenannte Ruinensteuer. Die Steuerverordnungen in einer Gemeinde können nur Rechtskraft erlangen, wenn sie ordnungsgemäß veröffentlicht wurden. In der Wallonischen Region bedeutet dies, dass der Bürgermeister einen Aushang tätigen muss, welcher den Gegenstand der Verordnung präzisiert, deren Datum enthält und auf die Entscheidung der Aufsichtsbehörde hinweist. Die Aufsichtsbehörde war in diesem Fall die Provinz Hennegau. Es scheint auch so zu sein, dass die Provinz die Verordnung tatsächlich gutgeheißen hat. Dem Aushang war jedoch zu entnehmen, dass die Verordnung durch die Wallonische Region gutgeheißen wurde. Der Appellationshof Mons hat die Steuerverordnung der Gemeinde für legal erklärt und darauf hingewiesen, dass ein materieller Irrtum im Aushang nicht dazu führen kann, dass die Steuerverordnung illegal sei, weil sie nicht korrekt veröffentlicht worden ist. Der Kassationshof teilte diese Ansicht nicht und kassierte die Entscheidung des Berufungsgerichts. Der Verweis im Aushang auf die Aufsichtsbehörde muss demnach fehlerfrei sein, sonst ist die Steuerverordnung nicht anwendbar (Kass., 17/01/2019, F.17.0156.F).

Der Kassationshof präzisiert die Verpflichtungen der Gemeinde für die Veröffentlichung ihrer Verordnungen und Beschlüsse (Kass., C.17.0604.F vom 8/11/2018).

Der Kodex der lokalen Demokratie und der Dezentralisierung sieht vor, dass die Verordnungen und Beschlüsse des Gemeinderats, des Gemeindekollegiums und des Bürgermeisters durch Letzteren veröffentlicht werden, in dem der Gegenstand der Verordnung oder des Beschlusses, das Entscheidungsdatum und, gegebenenfalls die Entscheidung der Aufsichtsbehörde ausgehangen werden. Sie werden erst verpflichtend, nachdem sie fünf Tage ausgehangen haben. Der Appellationshof Mons hat entschieden, dass der Aushang während der fünf Tage permanent durch die Bürger einsehbar sein muss, was bedeutet, dass eine Verordnung oder ein Beschluss, der nur während der Öffnungszeiten des Gemeindehauses sichtbar ist, nicht ordnungsgemäß veröffentlicht wurde und somit nicht auf die betroffenen Bürger anwendbar ist.

Der Kassationshof hat diese Entscheidung kassiert. Es ist demnach nicht nötig, dass die Entscheidungen einer Gemeinde 24 Stunden/24 Stunden, während der Veröffentlichungsfrist, durch den Bürger einsehbar sind.

Der Kodex der lokalen Demokratie und der Dezentralisierung sieht ferner vor, dass ein spezielles Register, das in der Gemeinde gehalten wird, die Tatsache und das Datum der Veröffentlichung der Verordnungen und Beschlüsse des Gemeinderates, des Gemeindekollegiums und des Bürgermeisters feststellen muss. Der Appellationshof von Mons war der Ansicht, dass dieses Register vorher gebunden sein muss, damit man mit Sicherheit belegen kann, dass die Veröffentlichung stattgefunden hat und vor allem wann sie geschehen ist.

Der Kassationshof hat auch diese Entscheidung kassiert. Das Register der Gemeinde, welches den Beweis enthält, dass die Entscheidungen der Gemeinde veröffentlicht worden sind und auch das entsprechende Datum enthält, muss nicht vorher gebunden sein.

Der Kassationshof präzisiert, wie die Formalitäten, die eine Gemeinde beachten muss, um eine Klage einzureichen, zu erfüllen sind.

Eine Gemeinde muss, bevor sie eine Gerichtsklage einleiten darf, verschiedene Formalitäten erfüllen. Das Gemeindekollegium muss entscheiden, dass eine Klage eingereicht wird und der Gemeinderat muss diese erlauben (es gibt einige Ausnahmen, wo das Gemeindekollegium alleine klagen darf, nämlich für Schnellverfahren, Besitzklagen, konservatorische Klagen und Handlungen, die dazu dienen Verjährungen zu unterbrechen, oder um Verwirkungen zu vermeiden). Der Kassationshof entschied nun, dass die Entscheidung des Gemeindekollegiums, die Klage einzuleiten, nicht ausdrücklich getroffen werden muss. Die Gerichte können die Beschlüsse des Kollegiums bezüglich der entsprechenden Angelegenheit analysieren und schlussfolgern, dass der Willen des Kollegiums die Klage einzuleiten aus den Beschlüssen implizit aber sicher hervorgeht (Kass., 24 Oktober 2018, P.18.0270.F).

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