Verfassungsgerichtshof: Im Falle einer rechtswidrigen Entlassung eines Beamten muss eine Wiedereingliederung möglich bleiben.

In seinem Entscheid Nr. 85/2025 vom 5. Juni 2025 äußert sich der Verfassungsgerichtshof zur Entlassung von Beamten.

Hintergrund

Die Flämische Gemeinschaft hatte beschlossen, die Regeln bezüglich der Auflösung eines Arbeitsvertrages auch auf das statutarische Personal, also auf die Beamten der flämischen Gemeinden und Provinzen anwendbar zu machen.

Die betroffenen Beamten konnten nun - aus Gründen, die mit ihrem Verhalten oder ihrer Eignung zusammenhingen, oder aufgrund der Notwendigkeit des Funktionierens des Dienstes  - unter Einhaltung einer Kündigungsfrist oder mittels Zahlung einer Kündigungsausgleichsentschädigung entlassen werden. Ebenso war eine Entlassung wegen schwerwiegendem Grund oder höherer medizinischer Gewalt möglich.

Ein Rückgriff auf die Disziplinarstrafen der Entlassung von Amts wegen oder der Entfernung aus dem Dienst war demnach nicht mehr notwendig, um das Beschäftigungsverhältnis dieser Beamten zu beenden. Die entsprechenden Disziplinarstrafen wurden in den flämischen Gemeinden und Provinzen daher abgeschafft.

Zudem wurde die Zuständigkeit für entsprechende Entlassungen vom Staatsrat auf die Arbeitsgerichte übertragen.

Die Arbeitsgerichte durften jedoch im Falle einer unrechtmäßigen Entlassung keine Wiedereingliederung des betroffenen Beamten beschließen.

Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes

Der Verfassungsgerichtshof hat nichts dagegen einzuwenden, dass die Gliedstaaten (Gemeinschaft oder Region) bezüglich der Auflösung eines Beamtenstatuts auf das (föderale) Arbeitsrecht verweisen und die Arbeitsgerichte für diesbezügliche Streitfälle für zuständig erklären.

Er schlussfolgerte jedoch, dass die Abschaffung der Möglichkeit der Wiedereingliederung eines Beamten im Falle einer unrechtmäßigen Entlassung eine bedeutende Verringerung des bestehenden Schutzniveaus in Bezug auf das Recht auf Arbeit und das Recht auf gerechte Arbeitsbedingungen der betroffenen Beamten darstellt. Die Stabilität des Beschäftigungsverhältnisses sei eine wesentliche Eigenschaft des Beamtenstatuts. Die Notwendigkeit von mehr Flexibilität könne einen solchen Rückschritt nicht rechtfertigen. Demnach verletzte die neue flämische Gesetzgebung den Standstill-Grundsatz aus Artikel 23 der Verfassung.

Selbst wenn es nur teilweise gegen die Verfassung verstößt, wurde das flämische Dekret vom 16. Juni 2023 insgesamt für nichtig erklärt, da es ein unteilbares Ganzes darstellt. Die Wirkungen des Dekrets wurden bis zum 5. Juni 2025 aufrechterhalten.

Fazit

Das Prinzip der Änderungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes erlaubt es einer Behörde das Statut seiner Beamten einseitig abzuändern. Eine Behörde darf also zusätzliche Möglichkeiten schaffen, um ein statutarisches Verhältnis aufzulösen. Hierbei darf es jedoch nicht zu einer nicht gerechtfertigten erheblichen Verringerung des bestehenden Schutzniveaus bezüglich des Rechts auf Arbeit und des Rechts auf gerechte Arbeitsbedingungen der betroffenen Beamten kommen. Die Abschaffung der Wiedereingliederung eines Beamten im Fall einer unrechtmäßigen Auflösung des Beamtenstatus ist daher nicht zulässig, zumindest nicht aus Gründen der Modernisierung und Flexibilisierung der Verwaltung.

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